Gestern haben die Aktien sämtlicher Zahlungsabwickler abgegeben, Visa -3%, Mastercard -4%, PayPal etwa -6%, die kleineren Plattformen wie Wirecard haben um die 2-3% verloren. Die zunehmende Beliebtheit von Krypto-Währungen wurde als Grund für die Kursschwäche benannt. Wird die zunehmende Beliebtheit von Bitcoin & Co. nun eine dauerhafte Gefahr für Visa, Mastercard & Co.?
Meines Erachtens definitiv nicht, denn auch die Krypto-Währungen brauchten eine sichere Abwicklung, sobald sie verbreitet für Zahlungen genutzt werden würden. Aktuell finden lediglich an Spezialbörsen mit geringen Volumina Ankauf/Verkauf von Krypto-Währungen statt. Transaktionen zur Bezahlung des Güterkaufs gibt es dagegen kaum, nur eine Handvoll Händler akzeptiert z.B. Bitcoin (weshalb Visa eine Bitcoin-Debitkarte hat, die bisher wenig verbreitet ist).
Das „schnelle Geld“ hat vielmehr nach der sehr guten Wertentwicklung der Aktien der Zahlungsdienstleister gestern schlicht „Gewinne vom Tisch genommen“ und somit zu den Kursrückgängen bei den Zahlungsabwicklern geführt. Bei Visa und Mastercard beispielsweise war es 2017 um fast 40% hochgegangen – de facto ohne jede Korrektur. Jetzt kam sie ohne weitere Vorwarnung. Von Visa selbst etwa gab es keine Neuigkeiten. Bis auf eine Präsentation gestern von CFO Prabhu auf einer Credit Suisse-Investorenveranstaltung.
Die Präsentation haben wir nachgelesen: Der CFO hat nichts wesentlich Neues gesagt
Die Guidance gilt, das Geschäft läuft blendend. Zu Bitcoin/Blockchain meinte er, Visa arbeite mit Blockchain bei grenzüberschreitenden B-to-B-Transaktionen, sie würden viel investieren und experimentieren, auch mit Firmenkunden, die dort auch eigene Blockchains integrieren (z.B. können consumer staples eigene vertriebs-/marketingrelevante Infos integrieren). Blockchains würden zumindest im B-to-B-Bereich immer wichtiger werden, daher engagiere sich Visa intensiv.
Hinsichtlich Krypto-Währungen sei Visa ebenfalls offen, man müsse sehen, was sich durchsetze, aber auch Krypto-Währungen benötigten sichere Zahlungsabwicklung, wenn es über kleine Spezialbörsen-Volumina hinausgehe und in der Breite für Bezahlung genutzt werde (siehe oben). Aber man werde die Visa-Plattform auch für Kryptowährungen öffnen, sofern ein Markt existiere, genauso wie man Visa für Pay-Dienste von Apple, Google und Samsung geöffnet habe oder für Square und Facebook Messenger.
Zwischenzeitliche „Rücksetzer“ beim Aktienkurs von Visa dürfen nicht verwundern, denn Visa ist wie sämtliche Zahlungsdienstleister eher ambitioniert bewertet, wobei sie allerdings schnell in eine angemessene Bewertung hineinwachsen. Denn bei dem avisierten hohen einstelligen Umsatzwachstum sollten sie den schon jetzt hohen Free Cash Flow im Bereich 15-20% erhöhen können (20% im GJ 2016/17), weshalb die derzeit ambitionierte Bewertung zügig abgebaut sein wird.
Weshalb ich von Visa als unternehmerisch denkender Langfrist-Anleger überzeugt bin und warum ich Krypto-Währungen als keine Gefahr beispielsweise für Visa erachte, zeigt auch unser letzter Quartalsbericht vom 26.10.2017:
Visa berichtete gestern über das Q4 2016/2017 (Vergleichswerte beziehen sich auf das Vorjahr):
Die Fakten
Visa liefert ein weiteres „Blowout“-Quartal ab, also ein Quartal, das die Prognosen „wegbläst“. Ebenso ein weiteres „Blowout“-Geschäftsjahr, beide erneut mit zweistelligem organisches Wachstum (oW) und zuverlässigem gigantischen Free Cash Flow-Margen im Umfeld von 50% – das schreiben wir seit Jahren, und das Geschäft läuft von Jahr zu Jahr immer noch besser.
Das hat zwei Gründe:
Erstens ist Visa DER Profiteur des säkularen Trends der Substitution des Bezahlens mit Bargeld durch bargeldloses Bezahlen, und als Betreiber des größten Netzwerks für elektronische Bezahlungsabwicklung generiert Visa hierbei die höchsten und schnell Skaleneffekte in einem dynamisch wachsenden relevanten Markt.
Zweitens betreibt Visa seine Plattform für Dritte offen und hat unzählige Partnermodelle, um mehr Verkehr auf die Plattform zu bringen – im netzgebundenen Markt die ökonomisch logische, weil gewinnbringendste Strategie für den Betreiber der größten Plattform. Es geht also um Volumenmaximierung, die bei geringem Kapitalaufwand, lächerlich geringem recurring Capex und einem Opex von fast null für den inkrementellen Verkehr zu einer Margenmaximierung führt.
Die zunehmende Online/Mobil-Bezahlung beschleunigt die Marktführerschaft von Visa und die Profitabilität nochmals: Während am klassischen Point of Sale beim Händler als Plattformzugangspunkt weltweit rund 15% aller elektronisch abgewickelten Umsätze über die Visa-Plattform laufen, sind es online/mobil sogar 43%. Visa ist DER Gewinner des Online-/Mobil-Bezahlens!
Das verwundert auch nicht: Visa hat erstens weltweit das mit großem Abstand dichteste Netz mit 16.000 issuers/aquirers, die an Visas Markterfolg mehrfach mitverdienen (Kartenvermarktung, Transaktionsabwicklung); zweitens hat Visa mit ca. 44 Mio. Händlern das dichteste Zahlungsakzeptanznetz, weshalb Visa aus Kundensicht ein sehr komfortables Bezahlmedium darstellt. Und weil Visa mit seinen enormen Größenvorteilen die mit großem Abstand höchsten Margen aller Bezahldienstleister erwirtschaftet, kann Visa den Acquirern und Issuern einen für sie attraktiven Wertschöpfungsanteil überlassen, so dass sie hohe Anreize zur Vermarktung von Visa-Produkten haben, weshalb für fast alle Banken weltweit die Zusammenarbeit mit Visa eine wichtige Umsatzquelle ist.
Des Weiteren kann Visa Großkunden wie jüngst Cosco und USAA, die zusammen rund 25 Mio. Kunden-Kreditkarten auf die Visa-Plattform bringen, an der Wertschöpfung beteiligen, weshalb die Anzahl der Visa-Kreditkarten weltweit mittlerweile rund 3,2 Milliarden (!) erreicht.
Wie enorm hoch die Attraktivität der engmaschigen Visa-Plattform ist, zeigt sich auch daran, dass mittlerweile sogar PayPal mit Visa kooperiert, die einst als Herausforderer der Kreditkartenfirmen angetreten war: PayPal gibt Visa-Karten heraus, so dass PayPal-Kunden am Point of Sale oder mobil zahlen können, die Abrechnung/Abwicklung erfolgt über das Visa-Netzwerk. Denn es wäre für PayPal viel zu zeit- und kostenaufwändig, das Kartengeschäft technisch und vertrieblich selber aufzubauen und abertausende Verträge mit Aquirern abzuschließen. Aus demselben Grund, und weil sie Zugang zum Händlernetzwerk von Visa bekommen, das sie selber nur in vielen Jahren aufbauen könnten, kooperieren Apple, Google und Samsung bei ihren Mobilbezahllösungen mit Visa, sie docken an die Visa-Plattform an und die Partner teilen sich die Wertschöpfung auf.
Deshalb glauben wir, dass Visa sein enormes Wachstum künftig eher noch beschleunigen und noch gigantischere Skaleneffekte generieren wird.
Dafür gibt es zwei Gründe…
Erstens werden weltweit trotz des dynamischen Trends zu elektronischer Bezahlung immer noch 85% des Bezahlvolumens in Cash abgewickelt. Mit den skaleneffektbedingten hohen und steigenden Margen kann Visa weiter hohe finanzielle Anreize für Plattformpartner und Großkunden für eine weitere und beschleunigte Substitution des Cash-Bezahlens setzen, weshalb wegen des minimalen Kosteninkrements die Margen noch mehr ansteigen, wodurch die finanziellen Anreize für Partner/Kunden, falls nötig, nochmals erhöht werden können. Das Umsatzwachstum speist also das Margenwachstum, das wiederum das Umsatzwachstum pusht, was das Margenwachstum erneut beschleunigt.
Zweitens beginnen zunehmend mehr Staaten, meist vorsichtig, manche konsequenter, mit einer Demonetisierung der Bezahlung. Seit etwa die indische Regierung im November 2016 erste Schritte zur Demonetisierung umgesetzt hat (Abschaffung von Geldscheinen mit hohem Nennwert) hat sich das wertmäßige Transaktionsvolumen auf der Visa-Plattform in Indien verdoppelt (!), wie CFO Prabhu im Analysts Call darlegte. In Schweden, wo fast nur noch elektronisch bezahlt wird, wächst Visa ebenfalls mit über 25%.
Visa ist der einzige börsennotierte Weltmarktführer, der seit Jahren eine Kombination aus robust zweistelligem Umsatzwachstum und einer unfassbar hohen Profitabilität mit FCF-Margen im Bereich um 50% schafft. Visa stellt damit selbst Apple und Google in den Schatten.
Die wichtigen Details
- Umsatz Q4 +13,94% auf 4,86 Mrd. USD, oW 9,9% (der Rest stammt aus dem Erwerb von Visa Europe), FY +21,72% auf 18,36 Mrd. USD (2009: 6,91 Mrd. USD – das ist ohne Zukauf Visa Europe eine Steigerung um rd. das 2,5fache!), oW FY 9,4%.
- Q4-oW beim Bezahlvolumen 9,85% in USD zu konst. FX, inkl. Europa 9,8% (nominal +10,2%) auf 1,93 Billionen USD; FY 7,34 Billionen USD (das ist mehr als das Doppelte des deutschen BIP; zum Vgl.: das Bezahlvolumen war im ganzen Geschäftsjahr 2009 mit 2,73 Mrd. USD nur 41% höher als heute in einem Quartal!); Anzahl Bezahltransaktionen 37,69 Mrd. (+11,84%), +10% bei grenzüberschreitenden Transaktionen; Anzahl Karten +27,27% auf 3,19 Mrd. (inkl. Visa Europe); die Naturkatastrophen haben in USA, Karibik, Mexiko über Wochen Umsatz gekostet, daher US-Paymentvolumen +9% lt. CFO Prabhu im Call, der ebenso darauf hinwies, dass alle fürs Geschäftsjahr geplanten Preiserhöhungen durchgesetzt wurden (USA in Q1, International in Q2), die nächste Preiserhöhungsrunde ist für H1 2018 geplant.
- CEO Kelly teilte im Call mit, mVisa (die mobile Visa-Bezahllösung) sei nun auch in Nigeria und Kenia implementiert und erfreue sich dort und woanders reger Nachfrage; das Partnerabkommen mit PayPal wurde auf Europa erweitert; mit Uber wurde vereinbart, dass Uber-Kunden beim Bezahlen mit Visa Punkte fürs Kundenprogramm gutgeschrieben bekommen; bei Fitbit und Garmin kann man jetzt per SmartWatch mit Visa kontaktlos bezahlen; VisaDirect (Echtzeit-Cash-Transfer über die Visa-Plattform) wächst weiter sehr dynamisch mit 75% beim Volumen, vor allem in den USA und Osteuropa sowie in den EM; mit Billtrust wurde die Möglichkeit für B&B-Zahlungen eingeführt; zudem wird nun „Visa IT Intelligence“ vermarktet, welches issuern/acquirern/Händlern ermöglicht, eine schnelle Authentifizierung (Fingerabdruck, Gesichtserkennung) einzuführen; die neue Visa-Bitcoin-Karte werde gut angenommen, die Abwicklungsvolumina sind aber noch gering.
- Customer incentives Q4 21,71% des Umsatzes (+281 bps); CEO Kelly verwies im Call darauf, dass im Berichtsquartal viele Großkundenverträge erneuert wurden, wie z.B. Wal-Mart und Alpha Bank/Russland, zudem wurden neue Großkunden gewonnen wie z.B. die Sberbank, die größte Bank in Russland, außerdem neuer Vertrag mit Industrial and Commercial Bank of China, der größten chinesischen Bank; customer incentives FY 19,92% (+148 bps – große Neukunden gewonnen wie Cosco und USAA).
- Die Integration von Visa Europe läuft schneller als geplant, für 2017/18 sind weitere 60 Mio. USD Integrationskosten eingeplant (hauptsächlich Abfindungen/Beseitigung von Doppelfunktionen).
- Außerdem setzt Visa derzeit ein Programm um, mit dem das jeweilige Landes- und Regionalmanagement mehr unternehmerische Freiheit bekommt bei Marketing und Vertrieb.
- Q4-Ebit +22,36% auf 3,21 Mrd. USD = 66,05% oM (+449 bps, bereinigt um einmalige M&A-Kosten +191 bps), FY-Ebit +54,05% auf 12,14 Mrd. USD = 66,12% operative Marge (oM) (+1.342 bps, bereinigt um einmalige M&A-Kosten und nachträgliche, nicht-cashwirksame Höherbewertung des Netzwerkabkommens mit Visa Europe nach Erwerb Visa Europe: +92 bps); zum Vgl.: oM 2009: 51,19%.
- Q4-FCF +11,21% auf 2,57 Mrd. USD = 52,88% FCF-Marge (-128 bps/nwc-bedingt und leicht höherer Capex, einmalige Integrationskosten Visa Europe), CCR 120,09%; FY-FCF +54,5% auf 8,5 Mrd. USD bzw. bereinigt um M&A +21,42% = 46,3% FY-FCF-Marge, CCR 126,9% – trotz rd. 23% höherem FY-Capex (vorwiegend weiterer Netzwerkausbau sowie M&A-bedingte Einmalkosten fürs Netzwerk) auf 707 Mio. USD (dennoch weiterhin mit 3,85% vom Umsatz geringer Investitionsbedarf), FCF-Steigerung zudem wc-bedingt langsamer als Umsatzwachstum; zum Vgl. 2009: Um IPO-Kosten bereinigter FCF bei 1,73 Mrd. USD = 25,05% FCF-Marge – das illustriert, wie die netzwerkbedingten Skaleneffekte und die Cash-Substitution vor allem durchs Online-Bezahlen die Margen zwischenzeitlich extrem dynamisch gepusht haben: Der FCF hat sich innerhalb der vergangenen acht Jahre fast verfünffacht!!! Strukturell hat Visa innerhalb von acht Jahren seine schon damals sehr hohe FCF-Marge von rd. 25% auf leicht unter 50% fast verdoppelt, und das bei Ganze bei einem rd. 2,5x höheren Umsatz. Die client incentives lagen damals bei 15,2% vom Umsatz, heute sind die bei um die 21,5% – auch das verdeutlicht, dass Visa enorm viel und mehr unternimmt, um noch mehr Verkehr auf die Plattform zu bringen, weil der Umsatz schneller steigt als die Kosten, womit die Margen immer noch weiter zunehmen.
- Nettofinanzschulden inkl. Pensionsverpflichtungen 4,1 Mrd. USD (=0,48x FCF), net working capital (nwc) -20,1%, EK -0,46% auf 32,76 Mrd. USD (wg. hoher Fremdfinanzierung des VE-Erwerbs weniger Gewinn in die Bilanzrücklage überführt), EK-Quote 48,19% (-321 bps wg. hoher Fremdfinanzierung VE-Erwerbs), dennoch sehr hohe Kapitalverzinsungen: ROCE 23,06%, ROE 25,95% (die mit der schnellen Schuldenrückführung und dem schnell wachsenden FCF zügig ansteigen); Aktienrückkäufe in Q4 für 1,7 Mrd. USD (Durchschnittspreis 102,54 USD) und rd. 400 Mio. Quartals-Dividenden; FY 6,9 Mrd. Rückkäufe (zu durchschnittlich 90,31 USD) und 1,6 Mrd. Dividenden, also wurde der gesamte FCF an die Aktionäre weitergereicht.
- Guidance FY 2017/18: Umsatzwachstum im hohen einstelligen Bereich, nicht währungsbereinigte Ebit-Marge im hohen 60er-Bereich, client incentives 21,5-22,5% vom Umsatz.
- EV 29,8x FCF bzw. 25,1x FCF FY 2017/18e (zum Vgl.: Mastercard 36x bzw. 30x, PayPal 29x bzw. 25x, obgleich Visa mehr als doppelt so hohe Margen bei etwas geringerem Wachstum wie Pay Pal hat, und bei ungefähr gleichem Wachstum ist Visa rd. 20% profitabler ist als Mastercard), auch bei der Kapitalverzinsung liegt Visa vorne, ebenso beim Margenwachstum seit Jahren – ergo, wenn man all das berücksichtigt, ist Visa günstiger bewertet als MC und PP; DCF 115-124 USD/Aktie; zum Vgl. 2009: Aktienkurs rd. 15 USD (der Aktienkurs hat sich also mehr als versiebenfacht in acht Jahren), EV damals – in der Baisse – rd. 17,3x FCF.
- Visa hat eine Steuerquote von durchschnittlich rund 31%. Sollte also die geplante Steuerreform in den USA kommen, würde Visa merklich von einem günstigeren Steuersatz profitieren, der laut einem Konzept-Entwurf, der zwischen dem Präsidenten und den republikanischen Fraktionen im Senat und im Repräsentantenhaus abgestimmt ist, 20% betragen soll. Käme dies, würde der FCF FY um rd. 0,75-1 Mrd. USD ausfallen, also um die 10-12% höher als FY 2016/17, was den aktuellen EV auf rd. 27x FCF 2016/17 bzw. rd. 22,5x FCF 2017/18 sinken lassen würde. Das wäre dann nicht mehr erheblich höher als der durchschnittliche EV während der Baisse und im beginnenden Kursaufschwung 2009/10, der bei um die 19,5x lag.