Reichen die Gewinne?

Dr. Martin StötzelDie Wirtschaftsdaten weltweit zeigen nach oben. Das kam in den letzten 100 Jahren in dieser Art noch nicht vor und deswegen sind Aktienkäufer weltweit bei bester Laune. Noch besser wird ihre Laune beim Blick auf die Gewinnaussichten der Unternehmen in der näheren Zukunft. Denn in diesem Jahr scheint ein Bann gebrochen.  Regelmäßig wurden nämlich in den vergangenen Jahren die Schätzungen für die Unternehmensgewinne im Laufe des Jahres recht deutlich zurechtgestutzt. Die Analystengilde startete immer wieder mit großem Optimismus ins neue Jahr, nur um im Laufe desselben die Ergebnisschätzungen um bis zu 20 Prozent herunterzuschrauben. Im abgelaufenen Jahr blieb dieser Effekt fast vollständig aus. Einerseits ist dies erfreulich.

Andererseits bedeutet es natürlich, dass die Preise der Aktien im Vergleich zu den Gewinnen der Gesellschaften in den vergangenen Jahren schon ganz schön weit vorgelaufen sind. Während der US-Aktienindex S&P 500 sich seit 2013 annähernd verdoppelt hat, sind die Gewinne im gleichen Zeitraum um magere 26 Prozent gestiegen. Das könnte sich irgendwann einmal rächen. Dass die Unternehmensgewinne diese Lücke in den nächsten beiden Jahren schließen, scheint eher unwahrscheinlich. Dafür müsste der Umsatz der US-Unternehmen schon heftigst anziehen. Denn auf der Kostenseite gibt es nach Jahren exzessiven Sparens und dem Herunterschrauben der Investitionen auf ein absolutes Minimum kaum noch Spielraum.

Doch woher soll die zusätzliche Nachfrage in Milliardenhöhe kommen? Die Verbraucher in den USA haben bereits in den vergangenen Jahren ihre Konsumausgaben bis zum Anschlag aufgedreht. Im Gegenzug ist die Sparquote in den USA von gut acht Prozent vor fünf Jahren auf 3,1 Prozent gesunken und liegt mittlerweile nur noch hauchdünn über dem Niveau des Vorkrisenjahres 2007.

Während die Trumpsche Steuerreform hieran wohl auch wenig ändern wird, sieht die Sache beim US-Arbeitsmarkt schon ein klein wenig anders aus. Im Prinzip herrscht in den USA bei einer Arbeitslosenquote von 4,1 Prozent Vollbeschäftigung. Dass die Löhne bisher noch nicht gestiegen sind, heißt nicht, dass dies für immer so bleiben wird. Im Gegenteil. Die Löhne reagieren in der Regel mit einem zeitlichen Verzug von rund zwölf Monaten auf eine angespannte Arbeitsmarktsituation. Aus dieser Ecke könnte also durchaus ein Nachfrageschub kommen.

Die Freude bei den Unternehmen wird sich voraussichtlich dennoch in Grenzen halten, denn dass für die Gewinnsituation hier eher ein Problem als eine gute Nachricht vorliegt, liegt wohl auf der Hand. Dabei ist die Bewertung des US-Aktienmarktes sowohl historisch hoch, als auch relativ zu den Aktien aus den anderen Wirtschaftsräumen. Die Hoffnung der Bullen ist denn wohl auch, dass das positive Umfeld weltweit dabei hilft, auch das Jahr 2018 ohne größere Unfälle zu überstehen. In der Tat war die Skepsis bereits vor zwölf Monaten groß und nicht wenige Auguren prognostizierten deutliche Kursausschläge. Was darauf folgte war ein Jahr, welches aufgrund niedriger Volatilität und dem Ausbleiben von größeren Kursausschlägen in die Geschichte eingehen wird. Von dieser Seite her, könnte es also auch in diesem Jahr „noch mal gut gehen“. Einerseits.

Andererseits erinnert eine aktuelle Studie der Credit Suisse die Investoren daran, dass es die Gesellschaften selbst waren, die über Aktienrückkäufe in den letzten zehn Jahre für einen 20 prozentigen Anstieg der Gewinne pro Aktie gesorgt haben. Rund ein Fünftel der Aktien wurden nämlich über diesen Zeitraum von den Unternehmen selbst gekauft und gleichsam eingezogen, sodass die Gewinne pro Aktie künstlich nach oben getrieben wurden. Schließlich bekommen nicht nur die Unternehmen ein Problem mit steigenden Löhnen und Gehältern. Sondern auch die US-Notenbank.

Die FED würde sich wohl in einer unangenehmen Zwickmühle wiederfinden, sollten die Löhne deutlich nach oben gehen. Denn sie müsste ihre Zinspolitik wohl aggressiver gestalten, sprich die Zinsen stärker und schneller erhöhen, als zur Zeit geplant ist. Und das könnte an den Märkten dann doch zu größeren Schwankungen führen. Zumal niemand weiß, wann die Marktteilnehmer beginnen, den Abbau der aufgeblähten Notenbankbilanzen in ihre Investitionsüberlegungen einzubeziehen. Aktuell mag das verfrüht sein. Immerhin ist sowohl die EZB, als auch die japanische Notenbank noch expansiv, sprich als Käufer von Anleihen und damit bilanzverlängernd, unterwegs. Doch das Geschäft mit den Projektionen läuft auf Hochtouren. Sollte die Konjunktur weiter gut laufen und die Inflationsraten zügig die zwei Prozent Marke erreichen, könnte bereits in einem Jahr nach der FED auch die EZB die Seite wechseln und damit beginnen die Märkte auf Entzug zu setzen. Als Kompensation bräuchten die Aktienmärkte dann echte, steigende Unternehmensgewinne. Ein florierender Welthandel wäre dafür keine schlechte Basis. Ob Donald Trump das auch so sieht?

Dr. Martin Stötzel

Dr. Martin Stötzel ist geschäftsführender Gesellschafter bei der Rhein Asset Management (Lux) S.A. Der banken- und produktunabhängige Vermögensverwalter hat sich auf die Verwaltung anspruchsvoller privater und institutioneller Mandanten im In- und Ausland sowie Stiftungen spezialisiert. Seit 1999 am Markt, verwaltet RAM eigenverantwortlich mehr als eine Milliarde Euro an Mandantengeldern ausschließlich in individuellen Portfolios, in denen sämtliche am Markt verfügbaren liquiden Instrumente eingesetzt werden und die einem kontinuierlichen Risikomanagement unterliegen. Weiterhin vertrauen Mandanten der RAM derzeit ca. fünf Milliarden Euro in der Vermögenssteuerung an. Weitere Informationen: http://www.rhein-asset.eu/