Klassische passive Fonds können niemals besser sein als der Marktdurchschnitt. Und wenn es eine Zeit lang gut läuft an der Börse, sammeln sie oft Klumpenrisiken an. Mit Smart Beta Lösungen können Anleger diese Klippen umschiffen. Das heißt aber nicht, dass sie damit in sicheren Gewässern fahren.
Wenn Jeder besser sein will als der Durchschnitt, dann ist das nicht nur ein philosophisches, sondern vor allem ein mathematisches Paradoxon. Es ist eine unlösbare Aufgabe, ganz gleich, welche Parameter man in eine – wie auch immer geartete – Formel einbaut. Und doch versprechen Smart Beta-Lösungen genau das: Mit Hilfe komplexer Formeln, die mit einer Auswahl an festgelegten Faktoren aussichtsreiche Unternehmen aus der Masse herausfiltern, wollen Smart Beta-Fonds ein Alpha generieren. Sie wollen also besser sein als der Durchschnitt.
In der Regel wird für die Berechnung dieses Durchschnitts ein Länder-, Regionen- oder Branchenindex als Benchmark bemüht. Solche klassischen Indizes haben – insbesondere, wenn es um Aktien geht – tatsächlich ein inhärentes Problem: Bei den meisten Aktienindizes spielt die Marktkapitalisierung für die Gewichtung eines Unternehmens im Index eine entscheidende Rolle. Will heißen: Dicke Fische werden immer dicker, wenn ihr Aktienkurs steigt. Indizes können so aus dem Gleichgewicht geraten – und damit auch die passiven Fonds, die ihre Wertentwicklung abbilden. Wenn die dicken Fische platzen, ist das Elend bei den Anlegern groß.
Sind aber Smart Beta-ETFs die passende Antwort auf dieses Dilemma? Um es kurz zu machen: Nein. Bei Smart Beta-Lösungen spielt die Marktkapitalisierung zwar in der Regel keine besonders große Rolle. Aber das macht sie noch nicht zu einer Allzweckwaffe. Denn hier werden einfach berechnete Indizes nur durch komplexere Formeln mit angeblich erfolgversprechenden Faktoren ersetzt. Die Faktoren wechseln nicht, und auch die Formeln bleiben unverändert starr.
Starre Smart Beta Lösungen bieten nicht die passenden Antworten auf sich ständig ändernde Herausforderungen
Es ist, als ob Sie den Motor und das Ruder eines Schiffes im Hafen fix einstellen und das Schiff dann ohne Kapitän auf die Reise schicken. Das kann eine ganze Weile gut gehen. Tut es aber auf lange Sicht in der Regel nicht. Ein starrer Autopilot funktioniert eben weder auf See noch an den Finanzmärkten. Irgendwann muss man den Kurs korrigieren, zum Beispiel weil das Wetter sich ändert.
Übertragen auf den Finanzmarkt heißt das: Wenn Sie als Anleger beispielsweise mit einem Smart Beta „Low Volatility“-Ansatz in große, nicht-zyklische Unternehmen investieren, die in Rezessionen robust sind, dann bedeutet das im Umkehrschluss, dass Sie in Boomphasen Rendite verschenken. Wenn Sie dagegen in einen Smart Beta-Fonds mit „Small Cap“-Ansatz investieren, können Sie höhere Renditen erzielen, nehmen aber mehr Volatilität in Kauf.
Also Alles, wie gehabt. Es gibt an der Börse eben keine Garantie zum Gelddrucken. Um erfolgreich zu investieren und nicht schon beim ersten Sturm unterzugehen, muss man den Markt beobachten und sein Portfolio flexibel durch verschiedene Marktphasen navigieren. Das kann keine der Smart Beta-Strategien auf Dauer leisten, egal, ob sie Value, Small Cap, Quality, Momentum, Low Volatility und Multi-Factor heißt.
Mein Fazit: Smart Beta-Lösungen können aktives Management nicht ersetzen. Sie sind jedoch vor allem für die Fondsgesellschaften, die solche Lösungen anbieten, ein gutes Geschäft. Denn der neue, smarte Name für die alten Weisheiten rechtfertigt offensichtlich höhere Gebühren.
Smart Beta lässt sich deshalb auf einen smarten Nenner bringen: Low effect, high costs.